Oberirdische Rohrleitung mit flexiblem Aramid-Liner

Eine Papierfabrik in Süddeutschland suchte nach einer passenden Lösung für die oberirdische Rückführung ihrer gereinigten Abwässer in einen Fluss. Die Rädlinger primus line GmbH realisierte die Maßnahme mit dem selbst entwickelten und wiederverwendbaren Primus Line® Overland Piping System.

Niedrigwasser und Gewässerökologie sind europaweit ein großes Thema. Die Auflagen für Unternehmen, die auf die Wasserentnahme aus Flüssen, Bächen und Seen setzen, nehmen zu. Davon ist auch eine Papierfabrik in Süddeutschland betroffen.

Die Betreiber der Papierfabrik entnehmen Wasser für die Papierherstellung aus einem Mittelgebirgsbach und leiten das gereinigte Abwasser einige hundert Meter unterhalb der Entnahmestelle in einen Kanal ein. Aus ökologischen Gründen erhielt die Papierfabrik die Auflage, das gereinigte Brauchwasser zur Entnahmestelle zurückzuführen. 

Mit dieser Aufgabenstellung wandte sich das Unternehmen an die Rädlinger primus line GmbH, die mit dem System Primus Line® Overland Piping eine geeignete Lösung anbieten konnte.

Was ist Primus Line® Overland Piping?

Primus Line® Overland Piping ist eine wiederverwendbare Lösung, die speziell für oberirdisch verlegte Rohrleitungen entwickelt wurde, um selbst anspruchsvolle und potenziell gefährliche Medien wie industrielles Abwasser, Sole, Brauchwasser etc., sicher transportieren zu können. Das System besteht aus zwei Komponenten: einem aramidverstärkten Liner und speziell entwickelten Verbindern.

Bis zu 4.000 Meter der flexiblen Rohrleitung werden auf einer Trommel angeliefert, von dieser abgerollt und direkt verlegt - auch in schwer erreichbarem Gelände. Sie passt sich der Oberflächenstruktur natürlich an. Der maximale Betriebsdruck liegt je nach Durchmesser (Nennweiten von DN 150 bis DN 350) zwischen 56 und 20 bar. Die Innenschicht besteht aus thermoplastischem Polyurethan (TPU), ist korrosionsbeständig und bietet eine hohe Abriebfestigkeit sowie chemische Beständigkeit, die selbst dem Kontakt mit hochkorrosiven Kohlenwasserstoffverbindungen standhält. Die Verstärkung aus Kevlar®-Gewebe verleiht Overland Piping eine hohe Zugfestigkeit, die es ermöglicht, selbst sehr hohe Betriebsdrücke vollständig aufzunehmen. Die Außenschicht aus TPU schützt vor UV-Einstrahlung und Abrieb und bietet die nötige Flexibilität, die für die wiederholte Installation und das Aufrollen des wiederverwendbaren Systems erforderlich ist.

Die Verbinder stellen einen leckagefreien Anschluss sicher. Zur Verbindung der Rohrleitungen werden speziell entwickelte Hochdruck-Endstücke mit Flanschen oder spezielle Schnellkupplungen verwendet. Sie können auch an Pumpen oder andere Rohrleitungsanlagen angeschlossen werden.

Projektierung der Abwasserrückführung mit Primus Line®

Die Abwasserrückführung der süddeutschen Papierfabrik hat eine Gesamtlänge von 690 Metern und sollte oberirdisch durch einen Floßwasserkanal verlaufen. Die rückgeführteAbwassermenge schwankt zwischen 600 und 1200 Kubikmetern pro Stunde. Ursprünglich sollte das System aufgrund der temporären Nutzung in den Sommer- und Herbstmonaten für das restliche Jahr abgebaut, eingelagert und dann wieder aufgebaut werden - ein klassischer Anwendungsfall für das wiederverwendbare Primus Line® Overland Piping System.

Bei einer Vor-Ort-Begehung entschieden sich die Projektbeteiligten jedoch aufgrund der zum Teil schwierigen Zugänglichkeit dafür, die Leitung dauerhaft im Kanal zu belassen. Der als Overland Piping System eingesetzte Primus Line F-Liner war auch für diese Anwendung geeignet und erfüllte alle Anforderungen hinsichtlich Lebensdauer, Temperatur-, UV- und Abriebbeständigkeit. Auch dem Wechsel zwischen mehrmonatigem Betrieb und mehrmonatiger Stilllegung hält er stand. Zudem bleibt er in seiner Form stabil – unabhängig davon, ob der Kanal mit Wasser gefüllt ist oder nicht.

Als Ergebnis der Durchflussberechnungen wurde ein F-Liner mit einer Nennweite von DN 350 gewählt, der mit einer Druckstufe von PN 10 betrieben wird. Aufgrund des geringen Reibungskoeffizienten (k = 0,028 Millimeter) können damit auch die Spitzen-Durchflussmengen bewältigt werden.

Eine Herausforderung im Rahmen der Projektierung war die Festlegung der Verlegeabschnitte. Der geschwungene Verlauf des Kanals sowie zu passierende Bauwerke wie eine Schleuse und ein Gebäude der betriebseigenen Wasserkraftanlage verhinderten eine Verlegung in einem Abschnitt. Außerdem mussten die Ingenieure von Primus Line bei der Platzierung der Zugwinden und Trommeln den laufenden Betrieb und den Verkehr auf dem Firmengelände berücksichtigen, der nicht gestört werden durfte. Final wurden drei Abschnitte mit einer Länge von 440, 200 und 50 Metern definiert.

Ausführung der Leitung im Flussbett

Nach intensiven Vorplanungen, der Sicherheitsunterweisung des Montageteams der Rädlinger primus line GmbH und der Einrichtung der Baustelle konnten die Arbeiten beginnen.

Um den Liner sowohl bei der Installation als auch im späteren Betrieb sicher und stabil zu verlegen, entfernte das Primus Line Montageteam zunächst das im Kanal befindliche Gehölz (Baumstämme und Äste). Für die Räumarbeiten nutzten sie ein Boot und eine Seilwinde.

Die Verlegung der Rohrleitung erfolgte ebenfalls mittels Boot und Seilwinde. Dazu legte das Team das Ende des Liners mit einem daran montierten Verbinder in das Boot und befestigte das Seilende der Winde am Verbinder. So konnte der Liner durch den Zug der Seilwinde nach und nach abgerollt und im Kanal platziert werden. Auf diese Weise verlegte Primus Line nacheinander die drei Abschnitte mit einer Länge von 200 Metern unter dem Wasserkraftwerk, mit 50 Metern im Bereich einer Schleuse und mit 440 Metern bis zur Abwassereinleitstelle.

Für den Anschluss und die Verbindung der Leitungen waren insgesamt sechs mechanische Verbinder erforderlich. Diese wurden zum Teil auf Pontons montiert und zum Teil vor der Linerverlegung vormontiert. Anschließend wurde der Liner mit Wasser beaufschlagt und so aufgestellt bzw. in seine runde Form gebracht. Dadurch senkte sich der Liner auch auf den Grund des Kanals ab. Nach einer abschließenden Druckprüfung konnte die Leitung nach drei Wochen Bauzeit in Betrieb genommen werden. Etwa die Hälfte der Bauzeit nahm die Entfernung des Gehölzes in Anspruch.

Vorteile gegenüber HDPE-Leitungen

Primus Line® Overland Piping ist die konsequente Weiterentwicklung einer Technologie, die die Rädlinger primus line GmbH bereits seit über 20 Jahren für die grabenlose Sanierung von Druckrohrleitungen eingesetzt. Inzwischen ist auch die oberirdische Lösung des bayerischen Unternehmens weltweit im Einsatz, so bei Maßnahmen in Frankreich, Kanada und Norwegen, um z. B. Sole, häusliche Abwässer und Brauchwasser zuverlässig zu transportieren.

Bei all diesen Projekten hat sich die flexible Rohrleitung auf Basis des aramidverstärkten Liners gegenüber oberirdisch verlegten HDPE-Leitungen durchgesetzt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Entscheidende Vorteile liegen u. a. im Mobilisierungs- und Ausrüstungsbedarf. Der gewebeverstärkte Liner wird platzsparend auf Trommeln transportiert. Für die Installation werden ein Minibagger oder eine Seilwinde und nur einfache Handwerkzeuge benötigt. Geräte-, Personal- und Zeitaufwand für aufwendige Schweißarbeiten zur Verbindung entfallen vollständig. Entsprechend kürzer sind auch die Installations- und Demontagezeiten. In der Regel rechnet Primus Line mit etwa ein bis zwei Tagen für die Verlegung von sechs Kilometern seines Liners. Durch Längen von 1.000 Metern und mehr in einem Abschnitt werden Verbindungspunkte und Schwachstellen reduziert. An Unebenheiten der Oberfläche passt sich der Liner einfach an. Im Vergleich dazu dauert die Installation einer gleich langen HDPE-Leitung etwa 25 bis 30 Tage bei zusätzlich höherem Personalaufwand. Die Demontage der gleichen Strecke nimmt mit Primus Line® Overland Piping durch das einfache Aufrollen des Liners ebenfalls nur etwa ein bis zwei Tage in Anspruch; beim HDPE-Verfahren etwa sieben bis zehn Tage. Der anschließende Lagerbedarf ist bei HDPE-Rohren bis zu zehnmal höher als bei Linern auf Trommeln. Neben den Lager- und Transportkosten sind auch die Betriebskosten aufgrund der minimalen Mobilisierungs- und Demobilisierungskosten und des geringen Personaleinsatzes im Durchschnitt geringer.

Neben Kosten und Effizienz trägt der geringere Maschineneinsatz auch zur Umweltfreundlichkeit des Overland Piping Systems bei. So ist auch eine Installation in sensiblen Umgebungen wie Schutzgebieten, Naturparks oder Flüssen ohne große Eingriffe in die Umgebung möglich. Dies vermeidet Emissionen und reduziert den CO2-Fußabdruck.

Für die Sicherheit der flexiblen Rohrleitung sorgt u. a. die mittlere Schicht des dreilagigen Primus Line® Overland Piping Systems: Diese besteht aus nahtlos gewebtem Kevlar®. Diese synthetische Faser ist bis zu zehnmal stärker als Stahl und doppelt so stark wie Glasfaser oder Nylon. Deshalb hat die flexible Leitung einen sehr hohen Sicherheitsfaktor (FoS). Der Berstdruck liegt mindestens 2,5 Mal höher als der zulässige Betriebsdruck. Der gesamte Produktionsprozess wird gründlich überwacht. Sensoren und Kameras erfassen ständig Prozessparameter und bilden die Grundlage für umfassende Mechanismen zur Kontrolle von Wandstärke und Konsistenz. Darüber hinaus wird jeder produzierte Liner vor der Auslieferung zur Baustelle einer Druckprüfung im eigenen Haus unterzogen.

Schnelle Leitung bei Notfällen

Auch bei Katastrophen wie Erdrutschen, Überschwemmungen oder Waldbränden, bei denen es zu Leitungsbeschädigungen oder Ausfällen kommt, bietet Primus Line® Overland Piping eine Lösung.  In einem einzigen Container können zwei bis vier Kilometer flexibles Rohr mit den entsprechenden Verbindern gelagert werden. In Notsituationen kann die flexible, aufrollbare und oberirdisch verlegbare Primus Line® Leitung sofort und - je nach Umgebungsbedingungen – innerhalb eines sehr kurzen Zeitrahmens verlegt werden. Außerdem hat das Primus Line® Overland Piping System - abhängig von der jeweiligen Einsatzart und den Umständen - eine sehr lange Lebensdauer.

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